In memoriam emer. o. Univ.-Prof. Dr. Hannelore Eva Kreisky

Mit großer Trauer geben wir bekannt, dass Eva Kreisky, ordentliche Professorin für Politische Theorie & langjährige Leiterin des Instituts für Politikwissenschaft sowie Vizedekanin an der Fakultät, am 14. August 2024 verstorben ist. Die Fakultät wird sie stets in ehrenvoller Erinnerung behalten.

Nachruf des Instituts für Politikwissenschaft

Das Institut für Politikwissenschaft trauert um die langjährige Vorständin Univ.-Prof. Dr. Eva Kreisky. Eva Kreisky war von 1993 zunächst Gastprofessorin und dann ab 1995 bis 2012 ordentliche Professorin für Politische Theorie an der Universität Wien. Sie hat eine neue Herangehensweise an die Politische Theorie entwickelt, die sie Politische Theoriearbeit nannte, um diesem Strang der Politikwissenschaft den Hauch des Abgehobenen oder den weitgehend (ideen-)geschichtlichen Charakter zu nehmen. Mit Politischer Theorie, so Eva Kreisky, sollte an den Problemen und Fragestellungen der Gegenwart gearbeitet werden. Zeit ihres akademischen Lebens hat sie sich mit dem Staat, der Bürokratie und deren sozialer und ökonomischer Verankerung beschäftigt. Österreich bot ihr dafür geeignetes Anschauungsmaterial, ein Land mit einer traditionell starken Bürokratie, die auch im demokratischen Staat ein Eigenleben führte. Der Titel ihrer Habilitationsschrift „Bürokratie und Politik. Beiträge zur Verwaltungskultur in Österreich“ zeigt ihr Interesse.

Der österreichische Staat wehrte sich auch lange erfolgreich gegen Geschlechterdemokratisierung – Frauen blieben in staatlichen Institutionen unterrepräsentiert und Politiken berücksichtigten die Interessen von Frauen weniger als die Erwerbsinteressen von Männern. Diese Forschungen machten Eva Kreisky zu einer Pionierin der deutschsprachigen feministischen Politikwissenschaft. Sie prägte das Konzept des „Staates als Männerbund“ und machte damit deutlich, dass Frauenausschluss aus der Politik systemisch und systematisch ist, nämlich der maskulinistischen Struktur des Staates und des politischen Feldes geschuldet. In dem 2009 von Matthias Falter, Marion Löffler, Thomas Schmidinger, Saskia Stachowitsch und Veronika Schwediauer beim Braumüller-Verlag herausgegebenen Band „Politik begreifen. 89 Begriffe um Eva Kreiskys Leben und Forschen“ wird die intellektuelle Produktivität Eva Kreisky deutlich, auch dokumentiert in zahlreichen Veröffentlichungen.

Eva Kreisky war Juristin, wurde 1971 zur Dr. jur. promoviert, und machte in dieser Zeit eine postgraduale politikwissenschaftliche Ausbildung am Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien. Bis 1978 war sie Assistentin in der dortigen Abteilung für Politikwissenschaft, die sie von 1979 bis 1989 leitete. Ihre Expertise der politikwissenschaftlichen Geschlechterforschung führte sie schließlich an die Freie Universität Berlin, wo sie von 1989 bis 1993 die Professur für politikwissenschaftliche Geschlechterforschung innehatte. Sie hatte großen inhaltlichen Einfluss auf viele der dortigen Dozentinnen, die sie auch mit strategischem und organisatorischem Geschlechterwissen versorgte.

Dieses Wissen und ihr politisch-strategisches Gespür hat sich Eva Kreisky auch in ihrem Engagement in sozialen Bewegungen angeeignet. Sie hatte für die österreichische Frauenbewegung und Frauenpolitik eine wichtige Rolle eingenommen. Ihr war klar, dass akademisches Wissen nur Bestand hat, wenn es einen gesellschaftlichen Praxishintergrund hat. Für ihren Einsatz für die die politikwissenschaftliche Geschlechterforschung erhielt sie 2008 den Käthe Leichter-Staatspreis.

Nach ihrem Ruf auf die Professur für Politische Theorie ans Institut für Politikwissenschaft übernahm sie gleich und bis 2004 dessen Leitung. Gemeinsam mit Helmut Kramer und später Birgit Sauer, Sieglinde Rosenberger, Regina Köpl und Herbert Gottweis und anderen baute sie das Institut umsichtig in ein modernes und kritisches Institut um. Durch ihre Schwerpunktlegung auf kritische und feministische Forschung und Lehre öffnete Eva Kreisky das Institut für zahlreiche Studierenden aus dem deutschsprachigen Ausland.

Die universitäre Lehre war ihr ebenso wichtig wie die Forschung. Sie investierte in der Studienrichtung Politikwissenschaft, eine der größten im deutschsprachigen Raum, viel Zeit in die Ausbildung von Studierenden. Legendär sind ihr Blockseminare mit Doktorand*innen auf Mallorca, wo es nicht nur um geistige Nahrung und Dissertationsfortschritte ging, sondern immer auch um gutes Essen und politisch interessante Gesprächsrunden.  

Vor universitären Leitungsaufgaben schreckte Eva Kreisky nie zurück, ja es reizte sie zu gestalten. Denn sie wusste, dass gute Wissenschaft geeignete, vor allem demokratische Organisation braucht. Ihre feministische Haltung realisierte sie durch einen hierarchiekritischen Umgang im Institutsalltag, auch gegenüber den Mitarbeiter*innen in der Verwaltung. Ihren Gestaltungswillen brachte sie zu verschiedenen Zeiten in mehreren Funktionen an der Fakultät für Grund- und Integrativwissenschaften, später umbenannt in Fakultät für Sozialwissenschaften ein: als Prodekanin, als Vizedekanin, als Vorsitzende der Doktoratsstudienkommission. Eva Kreisky engagierte sich zudem für die Etablierung des in Österreich jungen Faches Politikwissenschaft. Sie war erste weibliche Vorsitzende der 1970 gegründeten Österreichischen Gesellschaft für Politikwissenschaft, deren Ehrenmitglied sie ist.

Mit Eva Kreisky, die 2012 emeritierte und am 14. August kurz vor ihrem 80. Geburtstag verstarb, verliert das Institut eine streitbare Kämpferin für kritische Wissenschaft und für eine demokratische Universität.

Birgit Sauer und Ulrich Brand im Namen des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität Wien

Nachrufe von Medien & Institutionen (Auszug):

Eva Kreisky (1944–2024) (Falter, 20.08.2024)

Politologin Eva Kreisky gestorben (wien.orf.at, 16.08.2024)

Politikwissenschafterin Eva Kreisky 79-jährig gestorben (derstandard.at, 16.08.2024)

Trauer um Eva Kreisky (Institut für Höhere Studien, 19.08.2024)

In Erinnerung an Eva Kreisky (Bruno Kreisky Forum, 19.08.2024)

Wiens Bürgermeister Ludwig und Stadträtin Kaup-Hasler zum Tod von Eva Kreisky (Rathauskorrespondenz, 16.08.2024)